
Vor dem Start in die nördlichen Berge, stärken wir uns noch in der traditionellen Markthalle neben unserem Hotel mit heißer Oaxaca-Schokolade und herzhaften Pollo Oaxaquenos (Hühnchen mit schwarzer Mole aus Schokolade, Mais und Gewürzen) und Chiles Rellenos (frittierte, gefüllte Paprika)
Dann geht es Richtung Nordosten in die Sierra Norte. Vor uns liegt ein Weg mit vielen Höhenzügen und Pässen mit den unterschiedlichsten Fahrbahnbeschaffenheiten. Der auf über 60PS getunte 1600ccm VW Käfer von Thomas mit dem höhergelegtem Fahrwerk und den Geländereifen schafft anscheinend jeden Untergrund und jede Steigung. Es ist herrlich zum ersten Mal auf unseren Kaffeereisen wirklich frei unterwegs zu sein und Tempo und Stopps frei entscheiden zu können. Nach ca. 2 Stunden planen wir dann den ersten Kaffee ein. Heike wird schon ganz unruhig. Wir finden ein schattiges (und recht kühles) Plätzchen auf 2400m Höhe. Thomas baut den Käfer um und installiert den Tisch, der patentwürdig am Dachgepäckträger befestigt (und auch dort verstaut) ist.
Ruck-Zuck ist die Kaffeebar mit elektrischer Mühle, Hario V60 und Aeropress fertig. Das Wasser wird mit dem Gaskocher temperaturkontrolliert gekocht und wir genießen zwei der von Thomas gerösteten Kaffeemuster aus dem Norden von Oaxaca. Unglaubliche Atmosphäre!
Nach einer weiteren Stunde Fahrt mit keinem anderen Verkehrsteilnehmer weit und breit können wir schon unseren Zielort „Santo Domingo Cacalotepec“ sehen, haben aber noch eine geschlagene Stunde Fahrt vor uns. Die nicht eingeplante Straßensperre durch einen umgefallenen Baum meistern Thomas und der Käfer, in dem die Blockade einfach umfahren wird.

Wir kommen in eine Region, wie wir sie auf all unseren Kaffeereisen noch nicht erlebt haben. Hohe Berge bis ca. 2500m, Dörfer, die sich an die Hänge klammern und wilde Wälder soweit das Auge reicht. Man glaubt zuerst nicht, dass hier Kaffee wächst, aber bei genauem Hinsehen sehen wir überall in den Wäldern Arabica Typica Pflanzen. Für die geplanten 4 Stunden auf den 130km haben wir letztendlich 5 Stunden benötigt. Aber der Weg hat sich, wie wir in den nächsten Tagen feststellen werden, mehr als gelohnt.
Romulo Chaves Velasco wartet schon etwas unruhig auf uns bei seinem Haus am Eingang des Dorfes.
„Santo Domingo Cacalotepec“ liegt auf 1475 Höhe am Ende einer kleinen staubigen Straße hier im Hochland. Das Dorf hat ca. 500 Einwohner. Alle Bürger leben vom Kaffee und haben eigene Felder. Insgesamt gibt es 150 Prodzuenten. Romulo ist der Sprecher einer Gruppe von 50 Kaffeebauern, die insgesamt ca. 25 Tonnen Rohkaffee unterschiedlichster Qualitäten pro Jahr produzieren. Es handelt sich um keine klassische Kooperative mit Satzung, fester Organisation und gewähltem Vorstand. Die Mitglieder der Produzentengruppe haben sich nur zusammengetan, um den Absatz ihrer Kaffees (manche Bauern produzieren nur 2 Sack Kaffee) besser bündeln zu können und sich gegenseitig bei der Arbeit und der Verbesserung der Qualität unterstützen zu können. So reicht die Gruppe gemeinsam seit letztem Jahr verschiedene Lots (kleine Kaffeemengen) bei der „Aromas“, einem Wettbewerb mexikanischer Kaffees sehr erfolgreich ein. Beim „ Concurso Aromas 2016“ hat Thomas auch Romulo kennengelernt und dadurch jetzt den Kontakt herstellen können.
Auf Romulos Terrasse stellen wir die uns gegenseitig vor. Thomas übersetzt unsere Intention und die Hintergründe und Absichten unserer Suche nach besonderen Kaffees. Romulos erläutert uns die Zusammensetzung seiner Gruppe und seinen Wunsch schon lange direkt an Röster zu verkaufen. Nicht zuletzt um höhere Preise für die Kaffees der Gruppe erzielen zu können. Wir sind schon jetzt froh, hier zu sein. Nicht weil die Landschaft schon so berauschend ist, sondern weil die Bauern, allen voran Romulo und seine Frau Elia so unglaublich herzlich sind. Man merkt allen die wir treffen den Stolz an, dass sich Röster aus dem fernen Deutschland sich für Ihren Kaffee, Ihre Arbeit und Ihr Dorf interessieren.
Nach einer leckeren Hühnersuppe (mit Huhn aus eigener Zucht) geht es erstmal durch das Dorf und in die Kaffeefelder. Auf fast allen Flachdächern trocknet Kaffee. Schon auf den ersten Metern im können wir die beschwerliche Ernte auf den steilen Hängen ermessen.
Wir laufen die ganze Zeit im Wald. Der Schattenanbau hier ist extrem dicht und wild, mit den verschiedensten Regenwald- und Kulturbäumen. Zwischendurch immer mal wieder ein paar kleine Mais oder Zuckerrohrparzellen. Es geht auf schmalen Trampelpfaden vorbei an unzähligen Feldern, die wir gar nicht voneinander unterscheiden können. Romulo erklärt uns nur immer wieder, wann das Feld eines weiteren compañero seiner Gruppe beginnt. Einige der Partner treffen wir auch bei der Ernte an. Die neue Saison kündigt sich schon durch Kaffeeblüten an, obwohl die Ernte noch in vollem Gange ist.

Wir sind echt erschöpft, als wir nach ca. 2stündiger Tour wieder am Beneficio von Romulo ankommen. Es liegt unterhalb seines Hauses direkt an der Dorfstraße und besteht aus zwei Lagerräumen (in denen wir schlafen werden) und der „Washing Station“ mit Entpulper.
Auf dem Flachdach wird der Pergamino (Rohkaffee mit Pergamenthaut) auf Bastmatten getrocknet. Elia, Romulos Frau hat schon alle Bastmatten mit den Rohkaffees zur Nacht (es wird feucht) zusammengefaltet. Wir helfen noch beim Stapeln der Matten und dem Verräumen einiger fertig getrockneter Kaffees ins Lager.
Es wird extrem schnell dunkel und kalt hier. Zu uns gesellt sich Fidonicio, den wir schon beim Pflücken getroffen haben. Gemeinsam genießen wir mexikanisches Bier (Corona, was man auch in Europa gut kennt) und einen Mezcal (Agavenschnaps). Tortillas, Bohnen und Reis hat Elia für uns zubereitet. Extrem müde vom Tag und der Zeitumstellung müssen wir uns leider verabschieden, bereiten noch gemeinsam unsere Betten im Kaffeelager vor, wobei sich Romulo mehrfach für die Einfachheit der Unterkunft entschuldig, wir aber glücklich sind hier so herzlich aufgenommen worden zu sein. Man teilt echt alles mit uns.